Wortlaut des SAT.1-Exklusiv-Interviews mit
Ex-Kanzler Helmut Kohl am Donnerstag, 29. Juni 2000


SAT.1:
Herr Dr. Kohl, heute im Ausschuss hat es einige Aufregungen gegeben. Sie sind mit einem Terminkalender konfrontiert worden. Ihnen ist vorgeworfen worden, Sie hätten sich mit den CDU-Mitgliedern aus dem Ausschuss abgesprochen. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen?
Helmut Kohl:
Ich muss sagen, ich verstehe diese Vorwürfe eigentlich überhaupt nicht. Es ist der Terminkalender einer Mitarbeiterin, der hier vorliegt, den sie dem Ausschuss übergeben hat. Daran können Sie ja schon erkennen, wie man was hinter diesen Notizen vermutet hat. Und in den Notizen steht, dass ich mich, wenn hier Sitzungswochen sind und die Kollegen aus dem Bundestag in Berlin sind - ist doch immer die Woche, in denen die Sitzungen des Untersuchungsausschusses stattfinden - ich mich mit dem einen oder anderen Kollegen treffe, einfach um informiert zu werden. Meine Lage ist ja mehr als eigenartig. Also, im Dezember wurde beschlossen, diesen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Im Dezember habe ich dem Ausschuss angeboten, dass ich sofort aussagen will. Dann hat man die Sache rausgezögert. Jetzt sind sieben Monate vergangen. Jetzt war ich heute zum ersten Mal da. Und jetzt hat man schon vor ein paar Tagen mitgeteilt, dass ich am nächsten Donnerstag, 14.00 Uhr, wieder kommen darf und dass man mich vor Weihnachten wieder vorladen will - und dann im nächsten Jahr. Ich muss sagen, das ist ein skandalöses Vorgehen, denn es zeigt ja, dass der Ausschuss - die Ausschussmehrheit rot-grün - überhaupt kein Ergebnis erzielen will, denn jetzt soll die Sache auf die nächste Bundestagswahl hingezogen werden. Mir geht es aber darum, jetzt schnell im Ausschuss zu diskutieren und die Fragen zu beantworten. Im Dezember hat man gesagt, man wolle - ich sage es jetzt mal mit meinen Worten - untersuchen, ob die Regierung, Regierungsmitglieder, es ist immerhin die Regierung, die meinen Namen trägt in diesen 17 Jahren, ob die bestechlich gewesen sei, Regierungshandeln käuflich war. Dies hat man gestützt auf Vermutungen - bei der Abgabe von Spürpanzern im Golfkrieg an Saudi-Arabien, beim Neubau der Leuna-Raffinerie. Und dann noch zwei ganz absurde Sachen, Geschäfte, die MBB und die Airbusfirma mit Kanada und anderen gemacht hat. Dinge, die mich überhaupt nichts angehen. Später hat man als fünften Punkt noch die Spendengeschichte nachgeschoben, wo ich einen Fehler gemacht habe. Das habe ich oft genug gesagt. Es wäre doch etwas ganz Leichtes gewesen, jetzt zu sagen, lasst uns das mal abarbeiten. Dann habe ich erst gestern erfahren, ob ich heute überhaupt Redezeit zu Beginn habe. Das ist ein unmögliches Verfahren. Man lässt mich sieben Monate warten und dann erfahre ich gestern endlich, dass ich wirklich zu Beginn über eine Stunde zu allen Fragen reden kann. Ich bin darauf angewiesen, Informationen zu bekommen, aber doch nicht, um Zeugen zu beeinflussen. Das ist doch völlig lächerlich. So dann überhaupt zu wissen, was da geplant ist, nachdem ich in der Zeitung jeweils lese, was die Ausschussmehrheit beschließt. Ganz abgesehen, dass Mitglieder aus der Ausschussmehrheit fortdauernd öffentliche Vorverurteilungen vornehmen. Sehen Sie, als die Behauptung aufgestellt wurde vor einigen Wochen in einer quasi Sondersendung der ARD, Francois Mitterand hätte mich mit 30 Millionen Mark im Zusammenhang mit Leuna bestochen, habe ich sofort gesagt, das müssen wir aufklären, das muss jetzt sofort gemacht werden. Ich habe überhaupt keine Chance gehabt bis zu dieser Stunde, außer dem, was ich heute selbst dazu gesagt habe, dazu befragt zu werden. Und wenn man jetzt den Kollegen vom CDU/CSU-Teil den Vorwurf macht, sie hätten mit mir gesprochen. Ja, die Sozialdemokraten, die Grünen reden mit der Bundesregierung, mit dem Bundeskanzleramt. Sie kriegen alle möglichen Materialien. Sie haben Akten, die ich nicht habe. Die haben Notizen, die ich nicht habe. Von Waffengleichheit kann gar keine Rede sein. Ich beklage mich ja auch gar nicht. Ich habe da keine Gefühle der Unterlegenheit. Aber sie sollen jetzt endlich mal voranmachen. Lasst uns doch mal drei ganze Tage zu dem Thema zusammensitzen. Lasst uns doch jetzt mal die Vorwürfe belegen.
SAT.1:
Das heißt aus Ihrer Sicht, dass die Arbeit dieses Untersuchungsausschusses eigentlich eine Farce ist?
Helmut Kohl:
Ja. Aus meiner Sicht hat dieser Untersuchungsausschuss - ich habe sowieso meine eigene Meinung über parlamentarische Untersuchungsausschüsse. Da stehe ich übrigens nicht alleine. Das ist keine parteipolitische Frage. Ich kenne fast niemand, der erwartet, dass aus einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, also jemand, der was von der Sache versteht, im Sinne von Gerechtigkeit oder Aufklärung kommt. Das ist ein politisches Kampfinstrument. Dieser Ausschuss hat - das ist ja der Sinn des Hinausziehens bis zur nächsten Bundestagswahl - ein klares Ziel: 17 Jahre Regierungszeit Helmut Kohl zu verdunkeln und möglichst zum Vergessen zu bringen. Damit muss ich leben. Aber ich kämpfe. Ich stelle mich dieser Auseinandersetzung.
SAT.1:
Sie haben heute vor dem Ausschuss die Spendernamen wieder nicht genannt, weil Sie Ihr Ehrenwort gegeben haben. SPD und Grüne werfen Ihnen jetzt vor, dass Sie Ihr Ehrenwort über das Gesetz stellen. Sehen Sie das auch so?
Helmut Kohl:
Nein. Das sehe ich überhaupt nicht. Man kann anderer Meinung sein als ich, das respektiere ich auch. Aber ich verlange auch Respekt vor meiner eigenen Meinung. Das Gesetz, um das es hier geht, ist ein Gesetz, in dem die Pflicht auferlegt wird, Spenden zu nennen. Das Gesetz sieht aus gutem Grund vor, dass diejenigen, die so etwas tun, wie ich einen Fehler begehen, ja nicht strafbar dadurch werden, sondern dass die Strafe darin besteht, dass ihre Partei, in diesem Fall meine Partei, die sozusagen die Ausgaben, die dadurch entstanden sind, wieder gutmachen muss. Am besten ist das Wort Wiedergutmachung. Das muss ich in Kauf nehmen. Da habe ich den Fehler gemacht. Da stehe ich zu. Ich habe ja Spenden gesammelt. Wir haben insgesamt mit 1600 Spendern 8 Millionen Mark Spenden zusammengebracht, die die CDU zur Begleichung des Schadens, den ich verursacht habe, bekommen hat. Und ich will überhaupt nicht meine Meinung über das Gesetz stellen. Aber wissen Sie, für mich ist ein Wort ein gegebenes Wort. Und es gibt eine breite Unterstützung in der Bevölkerung zu diesem Thema.
SAT.1:
Sie haben noch mal gesagt, Sie kämpfen um Ihre Ehre. Fühlen Sie sich selbst noch als Ehrenmann?
Helmut Kohl:
Ja, selbstverständlich. Ich kenne eigentlich niemand, außer denen, die mir parteipolitisch ans Zeug wollen und die sowieso eine Antiposition haben. Sie brauchen ja nur hören - gehen Sie nach Paris, gehen Sie nach Moskau, gehen Sie nach Washington oder London - was die Leute von mir halten. Sie können es ja hier in Berlin bei jedem wesentlichen Besucher erfahren. Das, was hier stattfindet, soll ja meine Ehre schmälern. Aber diesen Schuh ziehe ich mir nicht an.
SAT.1:
Sie mussten fast sieben Monate warten, bis Sie jetzt endlich vor den Ausschuss geladen worden sind. Das ist eine lange Zeit. Sie waren damals sehr ungehalten im Bundestag, als es um die Vorwürfe ging. Ist das nicht an Ihre Nerven gegangen?


Helmut Kohl:

Ja. Selbstverständlich. Ich mache da gar kein Hehl draus. Ich bin durch ein tiefes Tal gegangen. Auch in meinem Inneren. Sie müssen sehen, ich bin Ehrenbürger Europas. Einer der angesehensten Deutschen in der Welt. Und wenn ich jetzt die Relation meines Vergehens, meines Fehlers nehme - und ich habe ja nichts eingesteckt. Keiner sagt ja, ich hätte Geld genommen. Das sagt ja niemand. Auch nicht mal meine Gegner. Dann ist das, was über mich hereingebrochen ist, und das steht in keinem Verhältnis mehr zu dem, was ich getan habe. Das sagen mir auch sehr viele. Und was Sie ja dann erleben, das Menschliche, allzu Menschliche. Wissen Sie, es gab ja viele, die haben die ganzen Jahrzehnte gar nicht genug bei mir sitzen können. Um nicht zu sagen, auf dem Schoß sitzen. Aus allen Bereichen. Manche auch in der eigenen Partei. Und wenn sie dann so plötzlich über Nacht sich als Outsider wiederfinden, ist das schon spürbar. Aus diesem Tal bin ich jetzt Gott sei Dank heraus. Und deswegen sagt ja auch jeder, das ist wieder der alte Helmut Kohl, voller Kampfeslust. Und das will ich jetzt auch zeigen.
SAT.1:
Einer der jüngsten Vorwürfe ist die Aktenvernichtung im Kanzleramt. Zwei Drittel der Computerdaten sollen gelöscht worden sein, das riecht natürlich für die Öffentlichkeit nach Verschleierung -- müssen Sie dafür die politische Verantwortung übernehmen?
Helmut Kohl:
Nein. Ich denke gar nicht daran. Zunächst einmal weiß jeder, dass es nicht die Sache des Bundeskanzlers ist, nach den Dateien zu gucken. Ich war nicht im Archiv und habe die Akten hin und her getragen. Aber zu den Erfahrungen dieser Wochen gehört ja auch, dass ein Hausdurchsuchungsbefehl mir gegenüber erlassen wurde. Ein unglaublicher Vorgang, auch auf Hinweis des Kanzleramtes, was den Vorfall noch gravierender macht, weil jemand anonym in einem wirklichen Pamphlet behauptet hat, mein Fahrer und ich und noch ein Dritter hätten vor Weihnachten nachts Akten aus dem Kanzleramt rausgeholt und nach Mainz in die Landesgeschäftsstelle der CDU abgefahren. Ich war übrigens zu der Zeit gar nicht mehr im Kanzleramt. Ich bin am 28. Oktober ausgeschieden. Dass das möglich ist, dass daraus ein Hausdurchsuchungsbefehl aufgrund einer anonymen Anzeige, an der nichts dran ist, wie jeder erkennen konnte, das ist schon erheblich für mich ein Problem, dass so was überhaupt in der Justiz möglich ist. Ansonsten muss ich sagen, wenn die Bundesregierung sagt, die Siegel sind da nicht in Ordnung, dann soll sie ein geordnetes Verfahren einsetzen. Das heißt, man hat gesagt, man wolle das den Staatsanwälten, den Gerichten übergeben - ich kann nur sagen: Macht das! Und dabei wird sich sehr rasch rausstellen, was ja nun der Untersucher selber gesagt hat. Er hat ja wörtlich gesagt, er war ja sehr vorsichtig als Jurist, er hat nicht gesagt: ich oder Minister Bohl oder andere wären schuld, sondern es hätte sich gar nichts gefunden, dass das auf unsere Anweisung geschehen ist. Und deswegen will ich erst mal sehen, was nun wirklich ist. Das, was ich bisher gehört habe, ist für mich nicht eine Untersuchung, die ich als seriös betrachte, deshalb bin ich nicht bereit, die Ergebnisse zu akzeptieren. Ich will eine wirkliche unparteiische Untersuchung haben, wo ich genau auch wie jeder andere davon ausgehen kann, das sind Leute, die das jetzt machen, wo man das Vertrauen haben kann.
SAT.1:
Nun wird ja aus Kreisen der SPD und der Grünen immer wieder gesagt, Sie sollten auf Ihr Abgeordnetenmandat im Bundestag verzichten und Sie sollten auch nicht mehr Ehrenbürger Europas sein. Das kann man Ihnen zwar schwerlich nehmen...
Helmut Kohl:
Ja!
SAT.1:
...aber es wird immer wieder gefordert. Wie gehen Sie damit um?
Helmut Kohl:
Gar nicht. Ich bin gewählt, ich bin jetzt 41 Jahre Abgeordneter, ich habe zu Beginn dieser Legislaturperiode schon gesagt, ich höre mit dem Ende der Periode auf. Dann kamen jetzt diese Vorgänge dazwischen. Ich wäre ja völlig arm dran, wenn ich jetzt nicht mehr nach Berlin als Abgeordneter gehen könnte, weil ich ja dann als Privatperson nahezu überhaupt keine Möglichkeit hätte, mich hier zur Wehr zu setzen. Übrigens hat das auch eine finanzielle Seite, denn im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung, denn ich war 25 Jahre ehrenamtlich Parteivorsitzender. Ich habe dies alles ehrenamtlich gemacht. Und wenn ich jetzt meine Pension betrachte, die ja nicht schlecht ist, aber gemessen an dem, was hier auch an Kosten auf mich zukommt, ist sie keineswegs so, dass ich da große Sprünge machen kann. Also wenn ich das Abgeordnetenmandat aufgebe, bin ich ja auch dem Parlament ausgeliefert, all denen, die was ganz anderes mit mir vorhaben. Und deswegen mache ich das nicht. Und der Ehrenbürger Europas - da soll doch die SPD über ihren Vorsitzenden, den Bundeskanzler Schröder, im Kreis der europäischen Regierungschefs, und die haben mir ja diesen Titel mit seiner Unterstützung verliehen, den Antrag stellen, Helmut Kohl bekommt den Ehrentitel "Ehrenbürger Europas" aberkannt.
Dann soll er es machen! Aber er ist viel zu klug, um nicht zu wissen, dass das völlig abartig ist, dass das nur für den innenpolitischen Verleumdungskampf in Gebrauch genommen wird.
SAT.1:
Herr Dr. Kohl, zu Ihrer eigenen Partei: Ihre Nachfolgerin im Parteivorsitz Angela Merkel, will Ihre politischen Leistungen jetzt zum 10. Jahrestag der deutschen Einheit groß feiern lassen - woher, denken Sie eigentlich, kommt dieser Sinneswandel und freut Sie diese Annäherung?
Helmut Kohl:
Zunächst einmal, was die eigene Partei betrifft, ich habe nie eine Fehde mit meiner eigenen Partei gehabt. Wir haben über 700.000 Mitglieder, wenn Sie die CSU dazu nehmen sind wir mit über 800.000 mit Abstand die mitgliederstärkste Partei in Deutschland, die Union als Ganzes. Und ich hatte mit der Parteiführung erhebliche Probleme, das wissen Sie ja auch! Ich habe ja den Ehrenvorsitz deswegen in der Partei auch niedergelegt vor ein paar Wochen. Aber ich bin daran interessiert, dass die Partei die nächste Bundestagswahl gewinnt, ich bin nicht auf Rache oder auf Krach aus. Und ich wünsche, dass die Frau Merkel Erfolg hat. Das habe ich ihr nicht nur geschrieben und gesagt, das ist meine Überzeugung. Und für die Partei ist das ja nur ein Vorteil. Wissen Sie, jetzt haben wir Juni, gleich Juli, und wir sind auch gleich im Oktober. Da werden dann schon ein paar Leute mehr in Deutschland die Frage stellen: Wie war das eigentlich vor 10 Jahren? Und wenn ich mir jetzt das Konzept betrachte, wer da am 3. Oktober in Dresden reden wird zum 10. Jahrestag, da werden eine Menge Leute die Frage stellen, ja, wo sind denn die Redner vom 3. Oktober 1989, also elf Jahre oder zehn Jahre zurück. Und da wird mancher doch sagen, irgendwo gab es da doch einen mit einer Figur, die nicht leicht zu übersehen war. Da gab's doch noch den Helmut Kohl. Dann werden auch die Leute die Frage stellen, die ich ja jeden Tag gestellt bekomme. Es ist ja nicht so, dass ich in der Bevölkerung keine Verankerung habe. Und es ist spürbar, die Sozialdemokraten sind von allen Geistern verlassen, was sie da jetzt mit mir machen. Das nützt doch nichts, wenn man ein altes Parteimitglied, das hochverdient ist, wie der Verleger, der WAZ, Herr Schumann, der 45 Jahre SPD-Mitglied war, aus der Partei hinauswirft wegen ehrenwidrigen Verhaltens, weil er dem Helmut Kohl, dem Ehrenbürger Europas, aus seinem privaten Vermögen spendete. Das ist eine politische Entwicklung, die schändlich ist. Ich war immer für scharfe Auseinandersetzung unter politischen Gegnern. Aber ich habe nie Politik im Freund-Feind-Verhältnis verstanden.

SAT.1:

Zur Normalität mit Ihrer eigenen Partei gehört natürlich auch, dass der Abgeordnete Dr. Helmut Kohl wieder an Fraktionssitzungen teilnimmt.
Helmut Kohl:
Ja, mache ich auch. Ich bin ja noch immer im Plenum. Ich habe aber gesagt, ich will in die Fraktion erst dann gehen, wenn ich ausgesagt habe. Als ich das sagte, war ich nicht der Meinung, dass wir erst im Juni überhaupt zu einer ersten Einvernahme im Ausschuss kommen. Ich war eigentlich der Meinung, dass ich spätestens gleich nach der Osterpause in den Untersuchungsausschuss kommen kann. Ich wollte die Daten jetzt abwarten und auch die in der nächsten Woche. Aber es ist völlig klar, dass ich nach der Sommerpause wieder in die Fraktion gehe. Ich wollte nicht in die Fraktion gehen, ich sage Ihnen das ganz offen, bevor ich meine Karte auch im Untersuchungsausschuss abgegeben habe.
SAT.1:
Ich frage nochmal anders, was Ihre eigenen Leistungen angeht. Durch diese ganze Affäre, jetzt in der Rückschau, glauben Sie, dass Ihre staatsmännischen Leistungen eigentlich Schaden genommen haben dadurch, was in den letzten Monaten über Sie hereingebrochen ist?
Helmut Kohl:
Nein, überhaupt nicht. Das ist jetzt natürlich eine, wenn man es mal so ausdrücken will, leicht verdunkelte Zone, aber wenn sie mit mir jetzt über die Straßen Berlins gehen, können Sie ja sehen, wie die Leute, und jetzt sind ja viele Leute zu Besuch aus ganz Deutschland, wie die Leute reagieren. Die Leute sagen, oh, Menschenskind, warum hat er das gemacht. Das ist ein intelligenter Mann. Wie kann der so einen Fehler machen. Und dann sagen sie auch, der hätte das Wort nicht geben dürfen. Das wird alles gesagt. Aber wenn alles aufgezählt ist, kommt auch der Punkt, aber es waren doch 16 Jahre, wo es uns doch ganz gut ging. Und wir haben doch Dinge erreicht wie nie zuvor. Wir haben eine Stellung in Deutschland und in der Welt erreicht, und da hat der Helmut Kohl doch auch was mit zu tun.
SAT.1:
Viel ist in den letzten Monaten über schwarze Kassen bei der CDU geredet worden. Bereuen Sie eigentlich irgendwelche Dinge, die Sie als Vorsitzender der CDU oder im Namen der CDU für Ihre Partei getan haben?

Helmut Kohl:
Natürlich. Ich habe ja öffentlich mehr als einmal gesagt, das war ein Fehler. Und das tut mir auch leid, dass ich das getan habe. Dass ich diese knapp zwei Millionen, etwas über zwei Millionen Mark in sechs Jahren sozusagen ohne Anmeldung im Parteiregister entgegengenommen habe. Da muss man auch mal die Relation herstellen. In diesen sechs Jahren hat die CDU Deutschland ein Gesamtvolumen mit Wahlkämpfen von 450 Millionen gehabt. Und diese zwei Millionen, das sind knapp 0,5 %. Also, die Verhältnismäßigkeit ist ja auch noch zu bedenken.
SAT.1:
Eine letzte kurze Frage zur Ausschusstätigkeit in den nächsten Wochen. Sie werden da ja noch ein paar Mal auftreten. Werden wir Sie da ähnlich streitlustig, fast aggressiv erleben wie heute? Wie sehen Sie das?
Helmut Kohl:
Ich war aber heute nicht aggressiv. Wissen Sie. Es fällt mir bei den normalen Ausschussmitgliedern nicht schwer, da habe ich gar kein Problem. Aber ich muss Ihnen sagen, von 100 Leuten, die mit mir reden, haben 90 ein Problem, sich mit Herrn Ströbele von den Grünen auseinander zu setzen. Weil die Leute, die ein bisschen was wissen, sagen, dieser Mann hat ja nun unter Rechtsstaatsprinzipien einen Lebenslauf hinter sich, der schon ganz ungewöhnlich ist. Dass der sich jetzt als Richter über den früheren deutschen Bundeskanzler da hinsetzt. Und wenn der also von Verfassungsbruch redet, dann muss ich ganz einfach sagen, irgendwo tut es mir doch schon am Kopf weh. Wenn ich die Straßenschlachten von Frankfurt sehe, und was es da alles in diesen Jahren mit den Vorläufern der Grünen gegeben hat, mit Teilen der Vorläufer der Grünen, ich sage nicht mit den Grünen, gegeben hat. Wissen Sie, es ist einfach zu sagen, ich kann mir eine bessere Beschäftigung und eine kurzweiligere auch vorstellen.
Aber wenn die halt beschließen, wir machen noch zehn Ausschusssitzungen, dann gehe ich halt in Gottes Namen in zehn Ausschusssitzungen. Ich werde durch Passivität die Sache nicht machen. Und je mehr das deutsche Publikum sieht, was da beabsichtigt ist, normale Leute, und was die da jetzt betreiben, auch die Leute, die mich nicht mögen, bestreiten ja nicht gänzlich, dass ich irgendwann in diesen Jahrzehnten nicht nur umsonst gearbeitet habe, sondern auch ein bisschen was für das Land beigetragen habe. Und das ist dann, das ist ein Schuss, der nach hinten losgeht. Da zeigt sich einmal mehr, dass jede Form von Fanatismus dumm ist. Und die Sozialdemokratie, wie die Grünen das jetzt inszenieren, das sind natürlich persönlich intelligente Leute, aber sie machen eine dumme Politik, mit Schaum vorm Mund. Das mag der Wähler nicht.

Herr Dr. Kohl, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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MSWordView written by Caolan McNamara